Gedenktafel an der Joseph-Beuys-Eiche an der Martin-Niemöller-Schule in Wiesbaden. Aufgestellt 2024. Foto: Frank Topsch

Die Beuys-Eiche an der Martin-Niemöller-Schule ist Teil der weltbekannten Kunstaktion „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“, die 1982 von Joseph Beuys im Rahmen der documenta 7 initiiert wurde. Auf Initiative von Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräften des damaligen Oberstufengymnasiums am Moltkering, der heutigen Martin-Niemöller-Schule, fand eine der 7000 Eichen ihren Weg nach Wiesbaden. Das Ensemble, bestehend aus einer Eiche und einem Basaltstein, wurde mit großem Engagement aller Beteiligten auf dem Schulgelände gepflanzt.

Hintergrund der Aktion „7000 Eichen“

Die Aktion „7000 Eichen - Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ wurde von Joseph Beuys als Beitrag zur documenta 7 im Jahr 1982 initiiert. Ziel war es, 7000 Eichen in Kassel zu pflanzen, jede mit einer Basaltstele. Beuys wollte damit ein ökologisches und gesellschaftspolitisches Zeichen setzen, das die Verbindung zwischen Mensch und Natur stärkt. Die Aktion ging über das rein Künstlerische hinaus und war Teil seines Konzepts der Sozialen Plastik, wonach jeder Mensch ein Künstler ist und die Gesellschaft durch individuelle Handlungen verändert werden kann. Im Rahmen dieser Aktion wurde deutlich, dass das Kunstwerk nicht statisch, sondern dynamisch ist. Das Ensemble aus Eichen und Basaltstelen steht nicht nur in Kassel, sondern wurde weltweit in verschiedenen Städten repliziert, unter anderem auch in New York. Diese globale Verbreitung der Bäume, wie auch die Pflanzung anderer Baumarten neben den Eichen, symbolisiert die Ausdehnung des Kunstwerks über Zeit und Raum hinaus und verdeutlicht, dass Kunst und Natur im Wandel begriffen sind.

Der Weg der Beuys-Eiche nach Wiesbaden

Die Initiative zur Pflanzung einer Beuys-Eiche in Wiesbaden ging von Schülerinnen und Schülern der Martin-Niemöller-Schule aus, die 1982 noch unter dem Namen „Oberstufengymnasium am Moltkering“ bekannt war. Bei einer Exkursion zur documenta 7 in Kassel, wo die Kinder die imposanten 7000 Basaltstelen vor dem Fridericianum sahen, entstand die Idee, ein solches Ensemble auch in Wiesbaden zu pflanzen.[1] Unterstützt wurden sie dabei von den Kunstlehrern Klaus Dettke und Frank Müller, die die Idee mit dem sogenannten "Baumbüro" in Kassel verhandelten. Der Wunsch, eine Eiche von Kassel nach Wiesbaden zu transportieren, wurde zunächst abgelehnt, da dies dem Konzept der Aktion „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ widersprach. Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Die Schulgemeinschaft kaufte zwei Eichen für je 500 DM - eine sollte in Kassel und eine in Wiesbaden gepflanzt werden. Die Finanzierung erfolgte durch eine Spendenaktion, zu der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte jeweils fünf Mark beitrugen.

Die Pflanzaktion in Wiesbaden

Screenshot aus dem 3sat-Dokumentarfilm "Auf den Spuren der Beuys-Eiche in Wiesbaden" von Teresa Corceiro

Nach erfolgreichen Verhandlungen und dem Kauf der Eichen wurde eine zweite Fahrt nach Kassel organisiert, um die Wiesbadener Eiche und die dazugehörige Basaltstele abzuholen. Die Eiche wurde im Mittelgang des Busses transportiert, während die Stele im Gepäckraum verstaut wurde. In Wiesbaden angekommen, verhandelte Klaus Dettke mit dem Schulleiter über den Pflanzort. Der Baum wurde schließlich an einer zentralen Stelle auf dem Schulgelände gepflanzt, wo er für alle Schülerinnen und Schüler beim Betreten des Schulgeländes sichtbar war. Die Pflanzaktion selbst wurde zu einem großen Kunst-Happening. Religionslehrer Brockhoff spielte auf der Trompete, während die Kinder der Helene-Lange-Schule bunt bemalt und in grüne Umhänge gehüllt das Geschehen begleiteten.

Zerstörungsversuche und Wiederbelebung

Kurz nach der Pflanzung wurde der Beuys-Baum mehrfach angegriffen. Konservative Kräfte, die der Aktion kritisch gegenüberstanden, versuchten mehrfach, den Baum zu zerstören. Trotz der Bemühungen von Schülern und Lehrern, den Baum zu retten, war er nach einem weiteren Angriff so stark beschädigt, dass er nicht mehr gerettet werden konnte. Ein Ersatzbaum wurde an der gleichen Stelle gepflanzt, wurde erneut Ziel von Vandalismus, überlebte aber. In den 1990er Jahren wurde das Ensemble aus Eiche und Basaltstein wegen Bauarbeiten auf dem Schulgelände versetzt. Der neue Standort war jedoch versteckt und schwer zugänglich. Heute erinnert nur noch wenig an den ursprünglichen Standort des Beuys-Baumes.[2]

Die Eiche heute

Datei:Einladung Beuys-Eiche Martin-Niemöller-Schule.png
Einladung zur Beuys-Ausstellung "Wenn Ideen Wurzeln schlagen" in der Martin-Niemöller-Schule am 25.09.2024. Gestaltung: Meret Becker und Laila Helbert

Die ursprüngliche Beuys-Eiche ist nicht mehr erhalten, aber eine neue Eiche ist an ihrer Stelle gewachsen. Auch der Basaltstein blieb erhalten und steht an seinem neuen, abgelegenen Platz auf dem Schulgelände. Trotz der Versetzung des Ensembles wird die Geschichte der Beuys-Eiche in Wiesbaden von ehemaligen Schülern und Lehrern in Erinnerung gehalten. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Martin-Niemöller-Schule im Jahr 2024 wird das Ensemble auf Initiative ehemaliger Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen wieder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Nun wurde ein Hinweisschild angebracht. Eine Ausstellung und ein Expertengespräch am 25. September 2024 erinnern an die Pflanzung der Beuys-Eiche und ihren kulturellen Wert.

Teresa Corceiros Film über die Beuys-Eiche

Die Filmemacherin Teresa Corceiro, selbst ehemalige Schülerin der Martin-Niemöller-Schule, hat die Geschichte der Wiesbadener Beuys-Eiche in einem Film dokumentiert, der 2022 auf 3sat ausgestrahlt wurde und in der Mediathek abrufbar ist.[3] In Interviews mit den ehemaligen Kunstlehrern Klaus Dettke und Frank Müller erzählt sie die Geschichte der Pflanzung und die Herausforderungen, denen sich die Eiche in den ersten Jahren stellen musste.

Literatur und Quellen

Einzelnachweise