Die Beuys-Eiche an der Martin-Niemöller-Schule ist Teil der weltbekannten Kunstaktion „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“, die 1982 von Joseph Beuys im Rahmen der documenta 7 initiiert wurde. Auf Initiative von Schülern und Lehrern des damaligen Oberstufengymnasiums am Moltkering, der heutigen Martin-Niemöller-Schule, fand eine der 7000 Eichen ihren Weg nach Wiesbaden. Das Ensemble, bestehend aus einer Eiche und einem Basaltstein, wurde mit großem Engagement von Schülern und Lehrern auf dem Schulgelände gepflanzt.

Hintergrund der Aktion „7000 Eichen“

Die Aktion „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ wurde von Joseph Beuys als Beitrag zur documenta 7 im Jahr 1982 initiiert. Ziel war es, 7000 Eichen in Kassel zu pflanzen, jede begleitet von einer Basaltstele. Beuys wollte damit ein ökologisches und gesellschaftspolitisches Signal setzen, das die Verbindung zwischen Mensch und Natur stärkt. Die Aktion ging über das rein Künstlerische hinaus und war Teil seines Konzepts der Sozialen Plastik, wonach jeder Mensch ein Künstler ist und die Gesellschaft durch individuelle Handlungen verändert werden kann.

Im Rahmen dieser Aktion wurde deutlich, dass das Kunstwerk nicht statisch, sondern dynamisch ist. Das Ensemble aus Eichen und Basaltstelen steht nicht nur in Kassel, sondern wurde weltweit in verschiedenen Städten repliziert, unter anderem auch in New York. Diese globale Verbreitung der Bäume, wie auch das Einpflanzen anderer Baumarten neben Eichen, symbolisiert die Erweiterung des Kunstwerks über Zeit und Raum hinaus und verdeutlicht, dass Kunst und Natur im Wandel sind.

Der Weg der Beuys-Eiche nach Wiesbaden

Die Initiative zur Pflanzung einer Beuys-Eiche in Wiesbaden ging von Schülern der Martin-Niemöller-Schule aus, die 1982 noch unter dem Namen „Oberstufengymnasium am Moltkering“ bekannt war. Bei einer Exkursion zur documenta 7 in Kassel, wo die Schüler die imposanten 7000 Basaltstelen vor dem Fridericianum sahen, entstand die Idee, ein solches Ensemble auch in Wiesbaden zu pflanzen. Unterstützt wurden sie dabei von den Kunstlehrern Klaus Dettke und Frank Müller, die die Idee mit dem sogenannten „Baumbüro“ in Kassel verhandelten.

Zunächst lehnte man den Wunsch ab, eine Eiche aus Kassel nach Wiesbaden zu transportieren, da dies dem Konzept der Aktion „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ widersprach. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden: Die Schüler kauften zwei Eichen für je 500 DM – eine sollte in Kassel und eine in Wiesbaden gepflanzt werden. Die Finanzierung erfolgte durch eine Spendenaktion, bei der die Schüler und Lehrer fünf Mark pro Person beisteuerten.

Die Pflanzaktion in Wiesbaden

Nach erfolgreicher Verhandlung und dem Kauf der Eichen wurde eine zweite Fahrt nach Kassel organisiert, bei der die Wiesbadener Eiche und die dazugehörige Basaltstele abgeholt wurden. Der Baum wurde im Mittelgang des Busses transportiert, während die Stele im Gepäckraum verstaut wurde. In Wiesbaden angekommen, verhandelte Klaus Dettke mit dem Schulleiter über den Standort der Pflanzung. Der Baum wurde schließlich an einem zentralen Ort auf dem Schulgelände gepflanzt, wo er für alle Schüler sichtbar war, wenn sie auf das Gelände kamen.

Die Pflanzaktion selbst wurde zu einem großen Kunsthappening. Der Religionslehrer Brockhoff spielte Trompete, während Kinder der Helene-Lange-Schule bunt bemalt und in grüne Umhänge gehüllt, die Veranstaltung begleiteten.

Zerstörungsversuche und Wiederbelebung

Kurz nach der Pflanzung war der Beuys-Baum mehreren Angriffen ausgesetzt. Konservative Kräfte, die der Aktion kritisch gegenüberstanden, versuchten wiederholt, den Baum zu zerstören. Trotz der Bemühungen der Schüler und Lehrer, den Baum zu retten, wurde er nach einem weiteren Angriff so stark beschädigt, dass er nicht mehr zu retten war. Ein Ersatzbaum wurde an derselben Stelle gepflanzt, und auch dieser war erneut Ziel von Vandalismus, überlebte jedoch.

In den 1990er Jahren wurde das Ensemble aus Eiche und Basaltstein aufgrund von Bauarbeiten auf dem Schulgelände versetzt. Der neue Standort war jedoch versteckt und schwer zugänglich. Heute erinnert nur noch wenig an den ursprünglichen Standort des Beuys-Baums.

Die Eiche heute

Die ursprüngliche Beuys-Eiche ist zwar nicht mehr erhalten, doch an ihrer Stelle wächst eine neue Eiche. Der Basaltstein ist ebenfalls erhalten geblieben und steht weiterhin an dem neuen, abgelegenen Ort auf dem Schulgelände. Trotz der Verlegung des Ensembles wird die Geschichte der Beuys-Eiche in Wiesbaden weiterhin von ehemaligen Schülern und Lehrern in Erinnerung gehalten.

Im Jahr 2024, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Martin-Niemöller-Schule, wurde das Ensemble durch eine Initiative von ehemaligen Lehrern und Schülern wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Eine Ausstellung und ein Experten-Gespräch erinnern an die Pflanzung der Beuys-Eiche und ihren kulturellen Wert.

Teresa Corceiros Film über die Beuys-Eiche

Die Filmemacherin Teresa Corceiro, selbst ehemalige Schülerin der Martin-Niemöller-Schule, dokumentierte die Geschichte der Wiesbadener Beuys-Eiche in einem Film, der 2024 veröffentlicht wurde. In Interviews mit den ehemaligen Kunstlehrern Klaus Dettke und Frank Müller erzählt sie die Geschichte der Pflanzung und der Herausforderungen, denen die Eiche in den ersten Jahren ausgesetzt war.

Literatur und Quellen

  • Lewalter, Björn & Unbehend, Axel (Hrsg.): „Aktion 7000 Eichen – Josef Beuys“, in: Raum.Kunst. Kunstbetrachtungen, Kulturamt der Stadt Wiesbaden, 2002.
  • Lange, Volker: „7000 Eichen: Ein außergewöhnliches Gartenkulturdenkmal“, in: Jahrbuch Gartenkultur 2022.
  • Interview mit Teresa Corceiro, geführt von Ingeborg Salm-Boost, 14. Februar 2024.
  • Dettke, Klaus: „Beuys-Baum Pflanzaktion am OMR Wiesbaden. Mein Bericht“, August 2021.
  • Einladung zur Ausstellung „Die Beuys-Eiche hat Geburtstag“, Martin-Niemöller-Schule, 25. September 2024.